Barrierefreiheit

Der Überblick zur Barrierefreiheit

Barrierefreiheit? BITV? Worauf muss man achten?

Dass die Gesetzgebung für Webseiten öffentlicher Einrichtungen den freien Zugang für Menschen mit Behinderten vorschreibt, ist vielen bekannt. Doch viele Fragen bleiben:

Dieser Artikel soll sich mit der aktuellen Gesetzgebung und der praktischen Umsetzung der Forderungen beschäftigen und Hilfestellung für Betroffene, also Kommunen und öffentliche Einrichtungen, bieten.

Was ist Barrierefreiheit?

Barrierefreiheit bedeutet die uneingeschränkte Nutzbarkeit eines Angebotes oder Objektes durch alle Menschen. Im Zusammenhang mit dem Internet wird der Begriff Barrierefreiheit für Internetangebote gebraucht, die von allen Menschen unabhängig von ihren körperlichen und/oder technischen Möglichkeiten uneingeschränkt genutzt werden können. Dies schließt sowohl Menschen mit und ohne Behinderungen, als auch Benutzer mit technischen (z. B. Textbrowser) oder altersbedingten Einschränkungen (z. B. Sehschwächen) sowie automatische Suchprogramme ein.

Eine barrierefreie Webseite gibt es nicht, da immer wieder Barrieren auftreten können, wie zum Beispiel schwer verständlicher Text oder automatisch erzeugter Inhalt auf umfangreichen Webseiten. Daher spricht man auch von barrierearm oder zugänglich.

Um das Internet barrierefreier zu machen, wurde durch das W3C die Web Accessibility Initiative (WAI) gegründet. Diese Initiative verabschiedete 1999 die "Web Content Accessibility Guidelines 1.0" (WCAG). In Deutschland ist 2002 das "Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze" (Behindertengleichstellungsgesetz — BGG) in Kraft getreten. In diesem Gesetz hat der Bund Regeln zur Herstellung von Barrierefreiheit in der Informationstechnik für seine Verwaltung gesetzt. Damit ist die Bundesverwaltung verpflichtet, ihre öffentlich zugänglichen Internet- und Intranet-Angebote grundsätzlich barrierefrei zu gestalten.

Eine entsprechende Rechtsverordnung (Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung — BITV) von Bundesinnenministerium und Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung regelt die Maßgaben hierfür.

Barrierefreiheit auf Bundesebene — Die BITV

Die BITV, die Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung, regelt die Forderungen für Internetauftritte von Behörden der Bundesverwaltung und soll bewirken, dass Webseiten auch für behinderte Menschen zugänglich sind. Seit dem 31. Dezember 2005 müssen alle öffentlich zugänglichen Internetinhalte des Bundes barrierefrei sein.

Eine Übersicht der Verordnung gibt es beim Bundesministerium der Justiz: http://bundesrecht.juris.de/bitv/index.html.

Die Bestimmungen der BITV basieren ausdrücklich auf den Zugangsrichtlinien für Web-Inhalte 1.0 (Web Content Accessibility Guidelines, WCAG 1.0) der Web Accessibility Initiative (WAI) vom 5. Mai 1999 (Anlage zur BITV vom 23. Juli 2002).

Da sich die BITV nur an Einrichtungen auf Bundesebene richtet, haben einige Bundesländer eigene Gesetzgebungen, die eine Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen fordern und sich meist an der BITV orientieren: Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Die anderen Bundesländer haben bereits ein Gesetzgebungsverfahren eingeleitet.

In absehbarer Zukunft sind nahezu alle öffentlichen Einrichtungen vor die Aufgabe gestellt, ihre Internetauftritte barrierefrei zu gestalten. Besucher der Webseiten können eine ihnen entsprechende Darstellung der Inhalte erwarten und einfordern. Auch von Agenturen wird zunehmend mehr Kompetenz auf dem Gebiet gefordert.

Barrierefreiheit für Unternehmen und Privatpersonen

Natürlich gibt es Barrierefreiheit auch auf anderen Ebenen im Web. Was die einen müssen, ist für die anderen längst zur Option geworden. Durch eine barrierearme Website profitieren vor allem die Besucher, aber auch ein Unternehmer, wie jeder Webseitenbetreiber, gewinnt durch die zugängliche Gestaltung einer Website.

Die direkten Nutzen für Benutzer Ihrer Website sind: eine einfache Benutzbarkeit, die Bedienbarkeit mit technischen Hilfmittel wie Screenreadern oder per Tastatur, verständliche Inhalte und eine variable Darstellung.

Aber lässt sich Barrierefreiheit und die Einhaltung von Webstandards in Zahlen ausdrücken? Welchen Nutzen gibt mir als Unternehmer eine barrierefreie Website?

Der Nutzen einer barrierefreien Website lässt sich schon während der Entwicklung verfolgen. Eine barrierearme Website basiert immer auch auf sematischen Markup, oftmals unter dem Begriff Webstandards zusammengefasst. Das heißt nichts anderes als dass sich der geschriebene HTML-Code an den Richtlinien und Empfehlungen des W3C orientiert und so standardisiert ist. Und hierbei ergeben sich folgende Vorteile:

Qualität

Die Nutzung von Webstandards macht die Arbeit an einem Projekt messbar. Mit verschiedenen Tools, wie dem Prüfprogramm des W3C, können Sie die Qualität und erhalten so messbare Kriterien zur Qualitätssicherung.

Flexibilität

HTML-Code, der auf Webstandards basiert, kann auch von Menschen gelesen und verstanden werden. Eine Betreuung von Mitarbeitern oder einer anderen Agentur ist auch ohne Dokumentation möglich.

Time to market

Falls eine Änderung der Firmenidentität ansteht, ist ein neues Layout dank der Trennung von Inhalt/HTML und Darstellung/CSS umgehend online.

Also, zu allererst sollten Ihnen Ihre Kunden bzw. Leser am Herzen liegen: Je größer die Reichweite Ihrer Website, desto größer die Chancen, neue Kunden bzw. Leser zu gewinnen.

Wie kann Barrierefreiheit erreicht werden?

Die BITV und einige Landesgesetze enthalten bereits umfangreiche Listen von Anforderungen, die beim Erstellen eines barrierearmen Webauftritts beachtet werden sollten.

Die Anlage 1 der BITV enthält alle Anforderungen an Webinhalte auf Bundesebene.

BITV — Anlage 1

Wir haben hier noch einmal alle Kriterien der BITV für Sie aufgelistet:

  1. Anforderung 1
    Für jeden Audio- oder visuellen Inhalt sind geeignete äquivalente Inhalte bereitzustellen, die den gleichen Zweck oder die gleiche Funktion wie der originäre Inhalt erfüllen.
  2. Anforderung 2
    Texte und Graphiken müssen auch dann verständlich sein, wenn sie ohne Farbe betrachtet werden.
  3. Anforderung 3
    Markup-Sprachen (insbesondere HTML) und Stylesheets sind entsprechend ihrer Spezifikationen und formalen Definitionen zu verwenden.
  4. Anforderung 4
    Sprachliche Besonderheiten wie Wechsel der Sprache oder Abkürzungen sind erkennbar zu machen.
  5. Anforderung 5
    Tabellen sind mittels der vorgesehenen Elemente der verwendeten Markup-Sprache zu beschreiben und in der Regel nur zur Darstellung tabellarischer Daten zu verwenden.
  6. Anforderung 6
    Internetangebote müssen auch dann nutzbar sein, wenn der verwendete Benutzeragent neuere Technologien nicht unterstützt oder diese deaktiviert sind.
  7. Anforderung 7
    Zeitgesteuerte Änderungen des Inhalts müssen durch die Nutzerin, den Nutzer kontrollierbar sein.
  8. Anforderung 8
    Die direkte Zugänglichkeit der in Internetangeboten eingebetteten Benutzerschnittstellen ist sicherzustellen.
  9. Anforderung 9
    Internetangebote sind so zu gestalten, dass Funktionen unabhängig vom Eingabegerät oder Ausgabegerät nutzbar sind.
  10. Anforderung 10
    Die Verwendbarkeit von nicht mehr dem jeweils aktuellen Stand der Technik entsprechenden assistiven Technologien und Browsern ist sicherzustellen, so weit der hiermit verbundene Aufwand nicht unverhältnismäßig ist.
  11. Anforderung 11
    Die zur Erstellung des Internetangebots verwendeten Technologien sollen öffentlich zugänglich und vollständig dokumentiert sein, wie z.B. die vom World Wide Web Consortium entwickelten Technologien.
  12. Anforderung 12
    Der Nutzerin, dem Nutzer sind Informationen zum Kontext und zur Orientierung bereitzustellen.
  13. Anforderung 13
    Navigationsmechanismen sind übersichtlich und schlüssig zu gestalten.
  14. Anforderung 14
    Das allgemeine Verständnis der angebotenen Inhalte ist durch angemessene Maßnahmen zu fördern.

All diese Anforderung besitzen einzelne Bedingungen und technische Begriffe werden in Anlage 2 erläutert. Eine umfangreiche Lektüre, die einem Fachfremden schnell überfordert.

Umso wichtiger ist es, eine Webseite hinsichtlich der Barrierefreiheit beurteilen zu können. Doch wie stellt man das an?

Eine Webseite bewerten

Einige einfache Schritte ermöglichen es Ihnen, eine Webseite auf ihre Barrierefreiehit hin zu beurteilen:

Benutzen Sie alternative Browser
Der Mozilla Firefox ist ein leicht bedienbarer, kostenloser Browser, der im Gegensatz zum Internet Explorer Standards besser unterstützt und einige eingebaute Funktionen zur Prüfung besitzt.
Klicken Sie im Firefox Ansicht - Webseiten-Stil - Kein Stil, um überprüfen, ob Ihre Webseite auf CSS und HTML basiert. Erhalten Sie eine reine Textseite mit wenigen Grafiken, sind Sie für die Zukunft gerüstet. HTML und CSS gelten als Basis für barrierefreie Webseiten, da Inhalte vom HTML und das Aussehen vom CSS gesteuert werden.
Skalierbare Schriften
Drücken Sie im Firefox gleichzeitig die Tasten Strg und + (Plus) oder - (Minus). Im Internet Explorer müssen Sie die Strg-Taste drücken und gleichzeitig das Scrollrad an Ihrer Maus drehen; das funktioniert auch im Firefox. Wenn sich nun die Schriftgröße ändert, also skalierbar ist, sind Inhalte auch für Menschen mit Sehschwierigkeiten lesbar.
Zoomen einer Website: Eine einfache Möglichkeit zum Zoomen einer Website bieten fast alle Browser: Im Internet Explorer zoomen Sie eine Website mit Strg + + in Schritten von 20%, zum Herauszoomen verwenden Sie Strg + -. In Opera müssen Sie nur die Taste + zum Vergrößern und - zum Verkleinern drücken. Bei dieser Variante wird die gesamte Ansicht, also auch Bilder, vergrößert.
Bilder und alternative Text
Suchen Sie Bilder auf Ihrer Webseite. Fahren Sie im Internet Explorer mit der Maus darüber. In einem gelb hinterlgten Kasten sollte sich eine kurze Beschreibung des Bildes befinden. Diese Beschreibung wird im HTML über das alt-Attribut vergeben. So erhalten auch blinde Besucher ihrer Webseite Informationen über die enthaltenen Bilder.
Links mit Titeln
Auch Links sollten eine Beschreibung besitzen, die den besuchern sagen, was sie hinter dem Link erwartet. Dies wird im HTML über das title-Attribut geregelt, das immer sinnvolle Beschreibungen enthalten sollte. "Klicken Sie hier" ist kein aussagekräftiger Titel für einen Link, "mehr Informationen über unsere Stadt" oder "zur örtlichen Chronik" schon eher.
Tabellen für Daten
Oftmals erkennt man Tabellen anhand ihrer Aufteilung in Spalten und Zeilen sehr gut, doch oft genug werden Tabellen für das Design missbraucht. So entstehen sinnlose leere Zeilen, die von einem technischen Hilfsmittel nur schwer verstanden werden können. Tabellen sollten nur tabellarische Daten, z.B. Statistiken, enthalten und mittels der entsprechenden Elemente beschrieben werden.
Markieren Sie einfach eine beliebige Zeile mit der Maus im Firefox. Können Sie problemlos Zeile für Zeile hintereinander markieren, scheint Ihre Webseite aus einer oder mehreren Tabellen zu bestehen. Befinden sich dann noch leere Felder oder Grafiken ohne erklärenden Text in den einzelnen Zellen, muss dieses Tabellenlayout abgeschafft werden.
Verzicht auf Frames, Pop-Ups, blinkende Grafiken, automatissche Weiterleitungen, etc.
All diese Elemente schränken das Verhalten einen Besuchers ein oder stören ihn erheblich in der Benutzung der Website, verzichten Sie daher darauf.

"Die Evaluierung von Webseitenzugänglichkeit" ist die Übersetzung des Artikels "Evaluating website accessibility" von Roger Johansson und zeigt noch mehr hilfreiche Schritte in der Bewertung von Zugänglichkeit.

Nun haben Sie einen Überblick erhalten, welche Technik unter der Haube ihrer Webseite läuft. Nichts desto trotz sollten Sie Ihre Webseite von Fachleuten überprüfen lassen. Eine geeignete Anlaufstelle ist das Projekt BIK, barrierefrei informieren und kommunizieren, bik-online.info. Das Projekt betreibt 5 Beratungsstellen (Berlin, Hamburg, Hannover, Marburg und NRW ) und bietet Tests zur Bewertung der Barrierefreiheit. So kann man als Betreiber einer Webseite den Fragenbogen zur BITV-Selbstbewertung die Zugänglichkeit der eigenen Webseite einschätzen.

Aber auch jede Webdesign-Agentur sollte in der Lage sein, Ihre bestehende Webseite zu bewerten und die Schwachpunkte aufzuzeigen. Eine Übersicht von Fachleuten aus dem Bereich der Webstandards finden Sie unter Webstandards in Germany oder bei den Webkrauts.

Worauf müssen Kommunen achten?

Zu allererst sollten Sie prüfen, ob es in Ihrem Bundesland eine Rechtsverordnung für barrierefreie Webseiten gibt. Eine gute Anlaufstelle ist das Portal Einfach für Alle, das über die aktuelle Gesetzeslage der Bundesländer und Barrierefreiheit allgemein informiert.

Viele Agenturen werben derzeit mit barrierefreiem und standardkonformem Webdesign, aber oft entsprechen die Ergebnisse doch nicht den Anforderungen der BITV oder den Regelungen der Bundesländer. Das muss nicht immer am mangelnden Können der Agentur liegen, sondern kann auch andere Gründe haben:

Sie sehen, es gibt eine Vielzahl an Hindernissen, die meisten werden von uns Menschen erzeugt. Daher ist es wichtig, nach der Erstellung einer barrierearmen Webseite diese immer wieder zu kontrollieren und auch die Personen zu schulen, die für die Redaktion der Inhalte zuständig sind.

Eine Agentur, die Ihnen eine stützende Hand auf dem Weg in die Barrierefreiheit bieten will, sollte vor allem auf Fehler hinweisen und Ihnen Lösungsvorschläge anbieten, Probleme gemeinsam anzugehen.